JEWROPE

 

 

VON  Yoshiko Waki und Rolf Baumgart

 

VON UND MIT

 

Kornelia Lech, Paulina Wycichowska-Gogołek,

Sylvana Seddig, Urszula Bernat-Jałocha,

Bartłomiej Raźnikiewicz, Charlie Fouchier,

Krzysztof Raczkowski, Mack Kubiki, Paweł Malicki,

Damian Pielka, Jennifer Peterson, Petra Korink und

Thomas Achtner

 

 

Gefördert durch

 

Internationale Kooperationsförderung NRW

Fonds Darstellende Künste

Polnisches Institut Düsseldorf

RheinEnergieStiftung Kultur

 

Premiere in Köln:

 

Samstag, 18. Oktober 2014, tANZfAKtUR Köln

 

Poznań / Posen liegt auf halber Strecke von Berlin nach Warschau, es liegt in der Mitte. Posen ist sozusagen auch Schnittpunkt polnischer und deutscher Geschichte – und nicht nur sozusagen:

 

Ausgangspunkt sind Reportagen und Erzählungen der polnischen Autorin und Journalistin Hanna Krall (*1935), die die Beziehungen und Verstrickungen zwischen Polen, Deutschen und Juden während des Holocausts und der Zeit danach schildern, besonders deutlich und ergreifend in Existenzbeweise (1995, Dowody na istnienie).

 

Diese Schicksale konfrontieren / verknüpfen wir mit Spuren deutscher Kultur in Poznań, die dort teilweise heute noch sichtbar sind, quasi als aktueller hotspot: Das Schloss als ehemalige „Führerresidenz“ und jetziges Kulturzentrum, die beiden „Posener Reden“, die Heinrich Himmler im Oktober 1943 dort gehalten hat und damit hohe NS-Funktionsträger über den millionenfachen Massenmord informierte und ihn glorifizierte.

 

bodytalk wird mit seinen Partnern in Poznań, dem Polnischen Tanztheater PTT und Zeitzeugen diese beiden inhaltlichen Stränge verknüpfen. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte soll dazu führen, sich selbst näher zu kommen – gemäß Bert Brechts Diktum, wonach „Geschichte nicht nur das Archiv, sondern auch der Motor der Menschheit“ sei.

 

Zum Team aus Deutschland gehören zwei Tänzer, die aus Poznań stammen: Mack Kubicki und Krzysztof Raczkowski, die gemeinsam mit der Leiterin von bodytalk, Yoshiko Waki, lange Jahre zum Ensemble von Johann Kresnik (z.B. an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin) gehörten.

 

 

VORSTELLUNGEN

 

19.09.2015 l 20 Uhr.

Lodz Poland

 

12.10.2015 l 20 Uhr.

Klakau Poland

 

23./24.10.2015 l 20 Uhr.

Dock 11 Berlin

 

15.11.2015 l 20 Uhr.

Warschau Poland

 

 

 

Eine Koproduktion von bodytalk mit dem Polnischen Tanztheater PTT in Poznań (Polen)

 

 

 

Pressekurzauswahl:

 

 

 

 

 

 

Wer getraut sich an solche Themen, und das mit solcher Wucht? Dazu gehört starke inhaltliche Arbeit und künstlerischer Mut, den besitzt bodytalk wie kaum eine andere Gruppe in NRWs Tanzlandschaft.

 

Thomas Linden, choices, 29.10.2014

 

Jewrope erklärt sich also nicht, nicht allzu leicht jedenfalls. Das ist seine Stärke. Unpädagogisch zu sein, aber auch nicht naiv. […] Doch muss ein Tanztheater über die Shoah überhaupt sein? Nein. Aber. Umgekehrt: Die Bühnenkunst soll vor solchen Themen nicht kuschen.

 

Melanie Suchy, tanzwebkoeln, 19.10.2014

 

Gewalt wird spürbar in der neuen, ungeheuer intensiven Produktion [...] bodytalk zeigt Inszenierungen, die in Kölns freier Szene mit nichts vergleichbar sind.

 

Kölnische Rundschau, 21.10.2014

 

 

 

 

 

 

 

BODYTALK GEWINNT “Kölner Tanztheaterpreis 2014” MIT “JEWROPE"

 

 

Soeben erreicht uns die Nachricht aus dem Mediapark, dass “bodytalk” den diesjährigen “Kölner Tanzpreis” mit ihrer neuesten Produktion “JEWROPE” zugesprochen erhielt. Wir gratulieren!

 

Aber wir gratulieren natürlich auch den Nominierten: Reut Shemesh, die ebenso wie bodytalk zweimal nominiert gewesen ist – Zum Einen mit einer Coproduktion mit dem Duo Overhad Project und “The Boy who cries Wolf” und zum Anderen mit ihrer Produktion aus 2013 “The Virgins Voice”, sowie Ursula Nill, die mit “”Where I end” nominiert war.

 

Beide Nachwuchschoreographinnen werden sich über ihre Nominierungen sicherlich uneingeschränkt freuen können: aus neunzehn Produktion wurden lediglich vier im ersten Halbjahr ausgewählt   (neben ihren eigenen war es “Frauen-Bewegung” von bodytalk) während im zweiten Halbjahr aus zwölf Produktionen lediglich “JEWROPE”, ebenfalls “bodytalk”,  ausgewählt wurde.

 

Eine solche Zuspitzung auf so wenige Compagnien und ChoreographINNEN gab es vermutlich bisher noch selten oder nie! Dies wirft Fragen auf, die hier nicht behandelt werden sollen in der Stunde des Feierns.

 

Die Jury hat unserer Meinung nach, aus dieser Auswahl heraus, richtig entschieden: anders als in den vergangenen Jahren, gab es hier erstmals eine klare Konstellation Nachwuchs | NRW Spitzengeförderte Compagnie mit zwei überaus gewagten politischen und sozialen Themen, die im Tanz aufgegriffen und bearbeitet wurden.

 

Betrachtet man die Besetzung der Jury und die Überschneidungen mit anderen geldvergebenden Gremien, muss diese Entscheidung umkämpft gewesen sein – zu Unrecht! Auch dies sei an dieser Stelle einmal gesagt!

 

Vielleicht tut sich ja doch etwas in Köln und in der Tanzszene?

 

„Beim Betrachten dieser multimedialen Performance-Spektakel verschlägt es einem immer einmal wieder den Atem, wenn uns das Ensemble mit dem Realen, also dem konfrontiert, das sich dem Zugriff der verbalen Sprache entzieht und das ist vor allem der Körper, unser Fleisch. [...] Bodytalk demonstriert eine spezifische Qualität der Tanzkunst, die darin besteht, unsere Rhetorik zu entlarven.“ (Auszug aus der Laudatio von Jurymitglied Thomas Linden)

 

 

 

Presse

 

 

"Es wird so laut und wild getanzt, dass man als Betrachter Angst haben muss, die Tänzer könnten sich Arme oder Beine brechen. In der Aktion erklingt die Musik des Musicals „Anatevka“, die der Pogrom-Stimmung die sarkastische Würze verleiht. Vom Milchmann ist es dann nicht weit zu Paul Celans „Todesfuge“. ... Die inhaltlichen Sprünge sind kühn in dieser Produktion, aber sie verfehlen nicht ihr Ziel."

 

Thomas Linden in der Kölner Rundschau vom 21.10.2014

 

 

 

18.10.2014

NACHTKRITIK VON MELANIE SUCHY:

 

Hin und weg schauen

 

Mit „JEWROPE“ wagt sich Bodytalk an einen roten Faden der deutsch-europäischen Geschichte. Kann das gut gehen? Nein. Wie auch

 

Der Anfang ist ganz still. Die Zuschauer in der Tanzfaktur schauen auf Koffer. Die knautschige alte Sorte. Sie stehen in Reihen, die etwas schräg die Bühne füllen. Koffer waren mal ganz große Mode im Tanztheater, als Requisit unschlagbar im Preis, in der Handhabbarkeit und in der deutlichen Symbolik: Jaja, das Reisen mit seinen Versprechungen oder dem Schrecken der erzwungenen Wanderschaft. Aber Bodytalk säuseln nicht melancholisch. Die Koffer haben plötzlich ein Muster, etwas Kantiges, dann erkennt man in der Projektion die Stelen des sogenannten Holocaust-Mahnmals in Berlin. Auf der Bühnenrückwand erscheint das gesamte Bild, in das sich ein grünes Bäumchen reckt und in das eine Schlaufe Stacheldraht ragt.

 

Am Ende wird „Jewrope“ noch sehr laut und wüst, und die Bühne ist mit Milch versaut, so dass ihre Glitschigkeit, will man in dem Spritzen, Toben, Prusten, Spucken und Schlittern der fast nackigen Tänzerschar einen Sinn sehen, das vorhersehbare Scheitern am Thema repräsentiert. Alles begann aber mit dem Säubern: einem Staubsauger. Ein Mann reinigt gelangweilt die Kofferstelenreihen, schiebt den Saugkopf vor sich her, es brummt. Mack Kubicki brummt unter einem schwarzen Tuch hinter ihm her. Ein Witz. Was hat noch der unsterbliche George Tabori über Auschwitz gesagt?

 

Die Kunst ist frei. „Jewrope“ versucht sich am Schwierigsten, vertut sich auch, geht auch baden, aber senkt den Kopf nicht. Es geht um Würde, um Menschlichkeit. Das Köln-Bonner Ensemble von Yoshiko Waki und Rolf Baumgart hat diese Produktion gemeinsam mit Ewa Wycichowskas renommiertem Polski Teatr Tańca aus Posen gestemmt. Immerhin neun Tänzer bringen sie auf die Bühne der TanzFaktur in Köln-Deutz und mischen die Stile.

 

Lebenlustig tanzen sie, hüpfen in polnisch-folkloristischer Manier zur entsprechenden Musik Arm in Arm über die Bühne, die Damen knien dabei kurz auf den Oberschenkeln der Herren, die Beine, Arme und Röcke fliegen. Sie wirbeln und springen, geben akrobatische Einlagen. Diesen Leichtsinn braucht ein schweres Stück schon auch, denkt man, dazu gibt es aus der Konserve evergreene Lieder aus dem Musical „Tewje, der Milchmann“ darüber, wie schnell die Zeit vergeht und was  wäre, „wenn ich ein reicher Mann wär’“, am Bühnenrand mit Live-Schlagzeug und -Gitarre begleitet von Damian Pielka. Doch die Lustigkeit ist auch doppelbödig; denn klischeehaftes Klezmergefiedel als Filmsoundtrack zu jeglichem jüdischem Thema und zur Gewohnheit gewordene Holocaust-Folklore ist kritikwürdig.

 

Nicht jedoch die sogenannten Zeitzeugen. Die hier per Film eingeblendete alte Dame Margot Friedländer möchte den Begriff allerdings lieber auf die heutigen jungen Leute anwenden. Sie spricht davon, dass sie wirklich nicht verstehen könne, dass Menschen anderen Menschen so etwas antun können, „unser Blut ist doch wie Eures“, zitiert sie ungenannt den „Kaufmann von Venedig“. Dass sie jüdisch sei, „das ist privat“. „Verzeihen?“, fragt sie sich mehrmals, „das kann ich nicht“. Eine polnische Tänzerin spricht auf der Bühne über ihre angebliche Großmutter, vielleicht im Alter von Frau Friedländer, die habe als kleines Mädchen, „als die Nazipolizei an die Tür klopfte“, nur einen Hammer mitgenommen; und sie klopft sich damit an die eigenen Knochen. Ein leises, starkes peinigendes Bild und unausgesprochener Hinweis auf den berühmten Protestsong vom Hammer und vom Lied der Liebe „between my brothers and my sisters, All over this land“.

 

Auch die kleine, langsame Prozession der Tänzer, die liebevoll Stacheldrahtgebilde in den Armen tragen wie die Erinnerungen oder zerstörte Träume; die Tänzer, die mit nackten Rücken knien und sich einen Stein auf den Nacken legen wie auf die Gräber in jüdischen Friedhöfen – da findet Bodytalk eine bittere Schönheit. Sie währt nie lang. Wenn der nackte Mack Kubicki mit Leidensmiene zwischen zwei Stacheldrahtseile gespannt wird und sie straff halten muss oder jede Richtung an ihm zieht, zitiert das grelle Bild zwar den „Jew-rope“-Titel, führt aber zu nichts. Ein  kleiner rauchender Schornstein tut dem Auge weh, doch vielleicht braucht es ihn, um den Einsatz des poppigen „Fly, Robin, Fly“ zu verstehen als Übersetzung von „wir schaufeln ein Grab in den Lüften“, wie Paul Celan in seiner Todesfuge schrieb. Dieser entstammt auch die Idee mit der Milch. Bei ihm ist sie schwarz.

 

„Jewrope“ erklärt sich also nicht, nicht allzu leicht jedenfalls. Das ist seine Stärke. Unpädagogisch zu sein, aber auch nicht naiv. Auch wenn es Naivität bewusst mit einbaut, was ganz fragwürdige Resultate bringt: Eine Tänzerin als Agitatorin ruft zum Mord an Wladimir Putin auf, dann wäre die Welt besser. Brüllend empört sich eine Darstellerin nicht über das Niedertreten eines Mannes, sondern über die Zigarette in Kubickis Mund. Das Töten zweier Pandabären würde Juden retten, wird verkündet, wobei Teil eins der absurden Rechnung theatralisch gleich mal ausgeführt wird. Diese Bärchen, „eine vom Aussterben bedrohte Minderheit“, tappen und tänzeln putzig auch durch die letzte Filmeinspielung mit einer Passantenbefragung. Um den industriellen Massenmord an Menschen zu „relativieren“, sind diese Beispiele aus heutiger Zeit zu blöd, zu klein. Aber sie weisen auf Muster solcher Argumentationen hin, die heutzutage immer noch oder sogar zunehmend üblich sind: „ja, aber“.

 

Insofern ist „Jewrope“ doch nicht gescheitert. Doch muss ein Tanztheater über die Shoah überhaupt sein? Nein. Aber. Umgekehrt: Die Bühnenkunst soll vor solchen Themen nicht kuschen.

 

 

 

 

Die gute und die böse Milch

 

29. Oktober 2014

bodytalk zeigt eine fulminante Auseinandersetzung mit dem Holocaust – Tanz in NRW 10/14

 

Wo Tabus existieren, regiert auch die Berührungsangst. Der Holocaust stellt immer noch den mächtigsten dunklen Fleck in der Bewusstseinslandschaft unserer Gesellschaft dar. Wie verhält man sich zu diesem Thema, das zwischen kollektiver und individueller Schuld flottiert? Die von Yoshiko Waki und Rolf Baumgart geführte Künstlergruppe bodytalk aus Bonn und Köln hält sich nicht mit Betroffenheitsfragen auf, sondern geht sogleich auf die Unsicherheit zu, mit der der Völkermord die Wirklichkeit unserer Gegenwart untergräbt. „Würden Sie zwei Panda-Bären erschießen, um einen Juden zu retten?“, fragen die Darsteller einzelne Besucher auf den Rängen der TanzFaktur in Poll. Prompt antworten die Befragten mit „Ja“.

 

Die Szene zeigt, es gibt noch allerhand zu tun, bis sich ein reflektierter Umgang mit dem Holocaust etabliert hat. bodytalk hält nicht auf halber Strecke inne, die Tänzer und Musiker gehen stets an die Grenzen und gerne noch ein Stückchen weiter. Die neue Produktion „Jewrope“, die in Zusammenarbeit mit dem Teatr Tańca aus Posen entstand, stellt da keine Ausnahme dar. Die beiden Pandas werden trotz ihres Flehens erschossen. Das Thema Gewalt taucht immer wieder auf und auch hier geht man verführerisch zur Sache. Erst kommt die Frage, ob die Welt nicht besser ohne Wladimir Putin dran wäre, dann folgt die Überlegung, ob man ihn nicht ermorden müsste. Dazu wird ein Buch herumgereicht, in das jeder die Person eintragen kann, von der er meint, dass sie getötet werden sollte. „Du darfst“ heißt es in den neuen Kriegszeiten. bodytalk gelingt hier eine Lehrstunde in Sachen Ideologie, die uns mit einer verkürzten Logik in Argumentationsketten lockt, aus denen es dann kein Entrinnen mehr gibt.

 

Körperliche Gewalt besitzt stets eine sexuelle Komponente, das spüren die neun Akteure sofort aus ihrem Thema heraus. Einzelne Männer werden von den Frauen und dem Rest der Truppe nackt verprügelt, die Meute fällt mit geiler Lust über das Individuum her. Schon ist man wieder beim Thema der Verfolgung und zugleich mitten in der Gegenwart. Warum sind Menschen so? Diese Frage stellt Margot Friedländer, eine Überlebende von Theresienstadt, in einem Video. Die Medien wechseln im Fluge und die Szenenfolge wird so eilig verschränkt, dass immer irgendwo ein überraschendes Spektakel vom Zaun gebrochen werden kann. Es wird so laut und wild getanzt, dass man als Betrachter Angst haben muss, die Tänzer könnten sich Arme oder Beine brechen. In der Aktion erklingt die Musik des Musicals „Anatevka“, die der Progrom-Stimmung die sarkastische Würze verleiht. Vom Milchmann ist es dann nicht weit zu Paul Celans „Todesfuge“, in der sich die Milch in eine Metapher des Verderbens verwandelt.

 

Die inhaltlichen Sprünge sind kühn in dieser Produktion, aber sie verfehlen nicht ihr Ziel. Sylvana Seddig schnallt sich zum Finale die Milchtüten vor die Brust und es ist nicht zu entscheiden, wann sie die Milch lebensspendend vergießt und wann sie ihr zum Folterinstrument wird. Dass dieses ebenso intelligente wie obszöne Spektakel letztlich in einer fröhlichen Orgie der nackten, milchbesudelten Leiber endet, ist nur konsequent, wenn man gesehen hat, wie die Körper schließlich zu einem Haufen übereinander geschichtet sind. Auch diese Aktion endet in einem Bild, das makabre Assoziationen auslöst. Wer getraut sich an solche Themen, und das mit solcher Wucht? Dazu gehört starke inhaltliche Arbeit und künstlerischer Mut, den besitzt bodytalk wie kaum eine andere Gruppe in NRWs Tanzlandschaft.

 

Thomas Linden

 

 

 

Tanz-Herbst-Premieren in Köln

 

25. September 2014

Kölns freie Tanzszene startet in die neue Saison– Tanz in NRW 10/14

 

Der Nachwuchs. Sie überzeugen längst mit ihren genreübergreifenden Inszenierungen. Dennoch zählt die Gruppe MIRA noch zum Nachwuchs des Tanzes in Köln. MIRA, das sind Julia Riera, Emily Welther und Julia Franken. Auch wenn der große Durchbruch noch bevorsteht, nummerieren sie bereits selbstbewusst ihre Stücke und tun es damit Martin Schläpfer vom Ballett am Rhein gleich. Der ist grad bei b.21 angekommen, MIRA mit „wish“ erst bei MIRA.Vier. Im Kunsthaus Rhenania präsentiert die Performance-Gruppe ihre neue Tanz-Film-Installation „wish“, die fürs Publikum „für Wunschmomente frei begehbar“ ist. Also viele Wünsche mitbringen!

 

Die Erfolgreiche. Ausgerechnet mit ihren Stücken für die Kleinsten der Kleinen ist die Tänzerin und Choreografin Barbara Fuchs zu einer der erfolgreichsten NRW-Choreografinnen geworden. „Ich habe zum richtigen Zeitpunkt das richtige Angebot gemacht“, sagt sie und verweist auf die PISA-Debatte. Ihre Stücke für Kinder ab null Jahren haben einen so überwältigenden Nachfrage-Boom ausgelöst, dass sie in der letzten Spielzeit gut 80 Mal europaweit damit unterwegs war. Aufträge und Gastchoreografien folgten, u.a. vom Badischen Staatstheater. Inzwischen wirkt sie in diesem Segment so stilprägend wie keine andere. Gerade hat sie dieser Erfolgsgeschichte mit „Alles im Eimer“ ein weiteres Stück hinzugefügt und wendet sich jetzt wieder der Zielgruppe der Erwachsenen zu. In „DIS_ORDER“ geht es um abweichendes emotionales Verhalten, Störungen, Anomalien. Es ist der letzte Teil ihrer Tanz-Trilogie Ge-Fühl-Los, einem regelrechten Gefühlslabor, in dem das menschliche Empathie-Vermögen auf den Prüfstand kommt. Hingehen und sich selbst erkennen!

 

Die Spitzentruppe. Das Tanztheater lebt. In Wuppertal wird Pina Bauschs Erbe gepflegt, und in Köln haben sich Johan Kresniks ehemalige Tänzer Yoshiko Waki und Rolf Baumgart mit ihrer Truppe bodytalk angesiedelt. Sie machen explizit politisches Tanztheater und sind damit eine Ausnahmeerscheinung im Tanz. Dafür wurden sie 2012 in die NRW-Spitzenförderung Tanz aufgenommen. Mit ihrer Reihe „Stadtstreicher – urbanale Räume“ wollen sie Orten wieder ein Gesicht geben. Dazu sammeln sie das auf, was andere lieber vergessen oder nicht anfassen wollen. So wie jetzt in „Jewrope“. Waki und Baumgart suchen in „Jewrope“ eine Auseinandersetzung mit der Geschichte. Zeitzeugen helfen dabei. „Hotspot der deutsch-polnischen Geschichte ist Poznan/Posen“, sagt Baumgart. Hier residierten einst Hitler und seine Vasallen. Dem stehen schockierende jüdische Schicksale gegenüber, wie sie Hanna Krall in „Existenzbeweise“ beschreibt. Doch bodytalk wird damit nicht enden, sondern – dafür sind sie bekannt – ganz sicher auch den Verbindungslinien in die Gegenwart nachgehen. „Jewrope“ ist das Top-Ereignis im Kölner Tanz-Herbst.

 

 

 

 

Eurokultura  MAGAZYN TV 28.10.14

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